
Claire Werk
Claire Werk
Rotkäppchen wurde vom bösen Fleischwolf geschnappt und dreht durch.
Den Heinzelmännchen wird wegen Schwarzarbeit der Prozess gemacht.
Schneeweißchen erliegt dem Treibhausefekt, Rosenrot stirbt an
Überdüngung.
Der Rattenfänger von Hameln verklagt die Stadt wegen
Nichteinhaltung des Vertrages auf Schadensersatz in Millionenhöhe.
Dornröschen findet beim besten Willen keine Firma mehr, die
Spinndeln herstellt und nimmt stattdessen am VHS-Kurs "Kreatives
Töpfern" teil.
Der Flaschengeist kommt zum Altglas und wird wiederverwertet.
den sieben Geißlein läuft kein böser Wolf mehr über den Weg; sowas
kann in einer modernen Mastfarm zum Glück nicht mehr vorkommen.
Die Krankenkasse bezahlt Zwergnase eine plastische
Gesichtsoperation.
Der Däumling erhält Wachstumshormone und spielt jetzt in seiner
Freizeit in einer Baskettballmannschaft.
Die kleine Meerungfrau endet in einer Dünnsäureverklappung.
Schneewittchen wird von einem adretten Notarzt gerettet, der aber
leider schwul ist.
Hänsel und Gretel schlagen die alte Frau nieder, als sie Plätzchen
aus dem Backofen holen will, und behaupten später, es sei Notwehr
gewesen: Die geile Alte habe sie vernaschen wollen.
Aschenputtel haut von zu Hause ab, heiratet und bekommt zwei
Kinder: Ihren Mann nennt sie liebevoll ihren "Märchenprinzen" - Er
schlägt sie wirklich nur selten.
Rumpelstielzchen wird kalt von der Rasterfahndung erwischt; bei
Kindesentführung kennt das BKA kein Pardon.
Die Klimaveränderung erledigt Frau Holle (Im Vertrauen: Eigentlich
war es Leberzirrose).
Das tapfere Schneiderlein verlässt der Mut, um nicht noch die
Unterstützung des Arbeitsamtes zu verlieren, willigt er einer
Umschulung ein.
Beim Fensterputzen bleibt Rapunzel mit ihrem Haar hängen und
stürtzt aus dem fünften Stock eines Hochauses (Dies bestätigt
wiederum die Statistik, nach der die meisten Unfälle im Haushalt
passieren).
Die Bremer Stadtmuskikanten wandern, nachdem kein Halter ausfindig
gemacht werden kann, ins Tierheim, wo sie eingeschläfert werden,
weil ihr Gejohle und ihr Geschrei auf die Dauer nicht zu ertragen
ist.
Von dem Einen, der auszog, das Fürchten zu lernen, hörte man noch
die Geschichte, er sei an der nächsten Kreuzung unter einen 40-
Tonner geraten, was wirklich fürchterlich gewesen sein muss.
Der Hase läuft vor die Flinte eines Sonntagsjägers und der Igel
kurz darauf vor dessen Auto: Technisches K.O....
Die Polizei greift das kleine Mädchen auf, das gerade Sterntaler
auffangen will, wegen Erregung öfentlichen Ärgernisses in
Tateneinheit mit Umweltverschmutzung, und schiebt sie ins
Waisenhaus ab.
Auf Grund der Darstellung außergewöhnlicher Gewaltszenen indiziert
die Bundesprüfstelle die Geschichten der Gebrüder Grimm, welche
von jetzt an nur noch ab 18 in einschlägigen Geschäften erhältich
sein werden.
Pogrom im zaristischen Russland. Eine Horde Kosaken hat im Estrichwinkeleine Mutter mit zwei Töchtern aufgestöbert. Die Kosaken brüllen von Freude. "Nehmt uns!" rufen die Töchter, "aber verschont unsere alte Mutter, habt Rachmones (Erbarmen) mit ihr!"
"Was heisst Rachmones?" protestiert die alte Dame mit Würde, "Krieg ist Krieg!"
Liebe Mama, lieber Papa,
seit ich von zu Hause fort und im College bin, war ich, was das
Briefe schreiben angeht, sehr säumig. Es tut mir leid, dass ich so
unachtsam war und nicht schon früher geschrieben habe. Ich will
Euch nun auf den neusten Stand bringen, aber bevor Ihr anfangt zu
lesen, nehmt Euch bitte einen Stuhl. Ihr lest nicht weiter, bevor
Ihr Euch gesetzt habt !
Okay
Also, es geht mir inzwischen wieder einigermaßen. Der Schädelbruch
und die Gehirnerschütterung, die ich mir zugezogen hatte, als ich
aus dem Fenster des Wohnheims gesprungen bin, nach dem dort kurz
nach meiner Ankunft ein Feuer ausgebrochen war, sind ziemlich
ausgeheilt. Ich war nur zwei Wochen im Krankenhaus und kann schon
fast wieder normal sehen und habe nur noch einmal am Tag diese
wahnsinnigen Kopfschmerzen.
Glücklicherweise hat der Tankwart einer Tankstelle das Feuer im
Wohnheim und meinen Sprung aus dem Fenster gesehen und die
Feuerwehr und den Krankenwagen gerufen. Er hat mich auch im
Krankenhaus besucht und da das Wohnheim abgebrannt war, und ich
nicht wusste wo ich unterkommen sollte, hat er mir netterweise
angeboten, bei ihm zu wohnen. Eigentlich ist es nur ein Zimmer im
1. Stock, aber es ist doch recht gemütlich.
Er ist ein sehr netter Junge und wir lieben uns sehr und haben vor
zu heiraten. Wir wissen noch nicht genau wann, aber es soll
schnell gehen, damit man nicht sieht, dass ich schwanger bin. Ja,
Mama und Papa, ich bin schwanger. Ich weiß, wie sehr Ihr Euch
freut, bald Großeltern zu sein und ich weiß, Ihr werdet das Baby
gern haben und ihm die gleiche Liebe, Zuneigung und Führsorge
zukommen lassen, die Ihr mir als Kind gegeben habt.
Der Grund, warum wir nicht sofort heiraten, ist, dass mein Freund
Aids hat, daher ist es uns nicht möglich, eine voreheliche
Blutuntersuchung durchzuführen, denn auch ich habe mich angesteckt.
Ich weiß, Ihr werdet ihn mit offenen Armen in unserer Familie
aufnehmen. Er ist nett und ehrgeizig, wenn schulisch auch nicht
besonders ausgebildet. Auch wenn er eine andere Hautfarbe und
Religion hat als wir, wird Euch das sicherlich nicht stören.
Jetzt, da ich Euch das Neuste mitgeteilt habe, möchte ich Euch
sagen, dass es im Wohnheim nicht gebrannt hat, ich keine
Gehirnerschütterung oder Schädelbruch hatte, ich nicht im
Krankenhaus war, nicht schwanger bin, nicht verlobt bin, mich
nicht angesteckt und auch keinen Freund habe.
Allerdings bekomme ich eine sechs in amerikanische Geschichte und
eine fünf in Chemie, und ich möchte, dass Ihr diese Noten in der
richtigen Relation seht!
Eure Tochter Sarah